Bibel für alle

(Die beste Lutherbibel seit Luther)

In diesem Jahr „luthert“ es allerorten, manche sprechen schon von einer grassierenden „Lutheritis“. Nicht immer ist Luther drin, wo Luther drauf steht. Was man von der revidierten Lutherbibel 2017 jedoch nicht sagen kann. Nicht nur näher an den Originalquellen ist sie, sondern auch näher an Luther. Sie hat hörbar mehr „Luthersound“ als die letzten Revisionen des 20. Jahrhunderts. Zum 500. Jahrestag der Reformation gibt es also wieder mehr Luther im Originalton. Luther wollte mit seiner Bibelübersetzung, „die an der Volkssprache schmausend und diese gleich veredelnd, die Heilige Schrift für alle öffnen."

 

Obgleich der Lutherklang nicht vorrangiges Ziel der Revision war. Die Revision war in erster Linie notwendig geworden, weil die Genauigkeit zum hebräischen bzw. griechischen Ausgangstext an vielen Stellen nicht mehr gegeben war. Das liegt an neuen, besseren Handschriften, die jetzt vorliegen und auch an der theologischen Bewertung derselben. Kurz gesagt: Die biblische Textkritik ist heute konservativer, d. h. zurückhaltender mit sog. Konjekturen (vermeintlichen „Verbesserungen“ des Textes) als noch vor 30, 40 oder 50 Jahren.

 

Der Auftrag für die Revisionskommission, bestehend aus rund 70 Fachgelehrten aus verschiedenen Fachgebieten unter der Leitung von Prof. Dr. Christoph Kähler (ehem. Thüringer Bischof), lautete, geordnet nach Priorität:

 

1.      Größere Genauigkeit zum Urtext

2.      Bessere Verzahnung der eigenständigen Bearbeitungen von Altem und Neuem Testament

3.      Wiederherstellung von Luthers kraftvoller Sprache

 

Normalerweise ist das ein unmögliches Unterfangen, mehr Genauigkeit und zugleich mehr Luther. In den Revisionen des vergangenen Jahrhunderts hat man Luthers Sprache immer mehr an die heutige Sprache angepasst, um verständlicher und auch genauer zu sein. Das führte dann zum Luther-NT von 1975, das den Spottnamen „Eimer-Testament“ erhielt, weil es aus dem biblischen „sein Licht nicht unter den Scheffel stellen“ ein „sein Licht nicht unter den Eimer stellen“ machte. Luthers Sprache war im NT 75 kaum noch erkennbar, so dass Philologen wie Walter Jens von „Mord an Luther“ sprachen. Die darauf folgende Nachrevision von 1984 hat dann einige Stellen wieder zurückgenommen, aber nicht konsequent und nicht einheitlich - das Gesamtergebnis konnte nicht befriedigen. Zumal das Alte Testament schon 1964 revidiert worden war und anderen Prämissen folgte als die Nachrevision des Neuen Testaments 1984. So kam es, dass die letzte Ausgabe der Lutherbibel von 1984 theologisch und sprachlich zu wünschen übrig ließ.

 

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass ich mich in meinem pastoralen Dienst mehr und mehr von der Lutherbibel abwandte. Jahrzehntelang habe ich anderen Übersetzungen den Vorzug gegeben, weil sie näher am Urtext und/oder sprachlich besser waren. Bis zum 19. Oktober vergangenen Jahres, als die neue Lutherbibel heraus kam. Seither lese ich wieder Luther, und das mit Begeisterung.

 

Prof. Kähler spricht von einer Überraschung auch in der Revisionskommission, mit der sie selbst nicht gerechnet hatten: In ihrem Bemühen um Genauigkeit gegenüber dem Grundtext machten sie die Erfahrung, dass Luther in vielen Fällen genauer und besser übersetzt hatte als die Revisoren der nachfolgenden Jahrhunderte ihn meinten verbessern zu müssen. Das Ergebnis der letzten Revision 2017: Mehr Genauigkeit und mehr Luther. Geht doch!

 

Was vor allem daran liegt, dass Martin Luther nicht nur ein außergewöhnlicher Theologe war, sondern auch ein einmaliges Sprachgenie. Luther hat auf der Wartburg das Neue Testament allein in nur 11 Wochen übersetzt, eine „Jahrtausendleistung“. Die jetzige Revisionskommission aus 70 Experten brauchte - allerdings für die gesamte Bibel - 2600 Wochen zur Revision! Der Auftrag der EKD an die Kommission war nicht mehr (wie bei den Revisionen von 1956 und 1984), die Lutherbibel an die heutige Sprache anzupassen, sondern - sofern Luthers Übersetzung zuverlässig ist - Luther zu belassen bzw. wieder auf ihn zurück zu gehen, wo der Luthertext heute noch „verständlich“ ist. (Natürlich hat sich die Sprache seit Luther weiter entwickelt und die rev. Lutherbibel folgt heutigen Regeln. Deshalb heißt es auch: Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung.) „Sein Licht nicht unter den Scheffel stellen“ ist zwar kein heutiges Deutsch mehr, aber sprichwörtlich geworden und nicht unverständlich. Freilich, die neue Lutherbibel ist nicht etwas für flüchtige Leser, sondern für solche, die „Schwarzbrot“ lieben. Und diese werden ihre Freude daran haben, denn auch durch die ehrwürdige Sprache ist die Lutherbibel „einprägsam“ wie keine andere Übersetzung. „Der altertümliche Duktus stärkt die Poesie.“ (Prof. Kähler)

 

Germanisten sind der besonderen Sprachkraft Luthers auf den Grund gegangen und haben Folgendes heraus gefunden: „Eine in dieser Weise geprägte Sprache ist nichts für eilige Leser, die schnell wissen wollen, was da steht. Es sind Worte, die Zeit brauchen, damit sie sich entfalten können, in unmittelbarer »sinnlicher« Gegenwart. Sie wenden sich nicht primär an den Verstand, sondern dringen Wort für Wort in eine tiefere Schicht, das »Herz« oder »Gewissen«. Luthers Übersetzung stellt nicht Informationen bereit, sondern bringt das Wort zur Sprache, das im Menschenherzen wirkt und schafft, wie es nach der Theologie von Paulus und Luther das Wesen des Evangeliums ist.“ (LutherTestament, Deutsche Bibelgesellschaft)

 

Wie prägend die Sprache Martin Luthers für die Deutschen war wird auch daran sichtbar, dass die ebenfalls 2016 erschienene Revision der katholischen Einheitsübersetzung jetzt an vielen Stellen die Luther’sche Übersetzung übernommen hat. Die Direktorin des kath. Bibelwerks, Dr. Katrin Brockmöller, sagte zum Verhältnis der rev. Einheitsübersetzung zur rev. Lutherbibel, dass auch Katholiken nicht an Luthers Sprachgewalt vorbeikämen. Ein Beispiel. In einer Umfrage wurden Leute gebeten, folgenden Satz zu vervollständigen: „Kommet her zu mir alle…“. Die Umfrage ergab, dass 80% der Deutschen antworteten: “…die ihr mühselig und beladen seid“, also Luthers Formulierung. Offensichtlich haben auch die meisten katholischen Christen Luther im Kopf und nicht „ihre“ bisherige kath. Einheitsübersetzung: „…die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt.“ Und so übernimmt nun auch die Einheitsübersetzung 2017 die Wendung aus der Lutherbibel.

 

Der katholische Neutestamentler Prof. Dr. Söding resümiert: „Die Lutherbibel hat in ihrer neuen Version eine große sprachliche Kraft. Die Bilder sind farbig, die Sprüche kernig.“

 

Und das Fazit des evangelischen Neutestamentlers Prof. Dr. Kähler lautet:

„Theologie, Poesie und starke Sprache sind bleibendes Profil der Lutherbibel.“

 

Die Lutherbibel ist der Klassiker, der die Welt verändert hat (seit 2015 UNESCO Weltdokumentenerbe). "Die Lutherbibel kann als der wichtigste Beitrag der Reformation zur Geschichte der Kirche eingeschätzt werden.“ (Prof. Söding) Sie ist nicht nur Heilige Schrift, sondern ein Gesamtkunstwerk, das zur Entwicklung der deutschen Sprache den entscheidenden Beitrag geleistet hat. „In erster Linie liegt ihre Singularität in ihrer Anmut und Sprachgestalt, die einzigartig poetisch und melodisch geformt ist und zugleich grundlegenden theologischen Gehalt verbalisiert.“ (Prof. Dr. Spehr)

 

Es gibt sie als Buch und auch als App für Smartphone oder Tablet unter www.die-bibel.de/lutherbibelapp

 

Wolfram Hosche (Pastor i. R.)